Seine Malerei kommt aus dem Dunkeln. Wie aus der Zeit gefallene Fragmente hängen die öligen Schinken an den Wänden. Zumeist in monochromen Flächen, aus deren tiefgrauen Schatten sich Gestalten schälen. Figuren wie Marmor, wie aus schimmerndem Stein, voller Schwere des Körperlichen. Ein abgeschlagener Kopf ruht im Schoss einer Frau, in trotz allem lockerem Pinselschlag legen sich Faltenwürfe übereinander. Mit der Ruhe einer neoklassischen Peinture ordnet Victor Man Licht und Schattenmassen zu rhythmischen Tuchlagen, faltet aus den Tiefebenen der Malerei Gebirge aus Stoff auf. Unterdessen leuchten auf anderen Bildern winzige Kreuze auf finsterem Hügelgrund, wandern schattige Höllengestalten durch tiefgraue Landschaft. Und der Besucher durch abgedunkelte Räume. Eine mystische Lichtregie lässt dort das samtig schimmernde Kolorit dieser kleinen Tafeln aufflammen. Sakral leuchten ihre Bildkörper.
Augen und Seele müssen sich an die gedämpfte Lichtzufuhr, an die dichte Stimmung von Weltabschottung erst gewöhnen. Draussen triumphiert die erste Sommersonne. Meine Gedanken wandern zu Proust, in seine wattierte Schreibstube, über schwere Vorhänge hinein in dämmriges Licht, aus dem noch verlorene Zeit wieder auferstehen konnte. Wie luzide Silhouetten der Erinnerung lösen sich auch hier Gestalten aus dem Farbgrund. Verzögert regt sich eine visionäre Malerei, beschwört ihre durchscheinende Körperlichkeit, lässt erst langsam Figuren und Stile wie Zombies aus dem Epochendunkel auftauchen. Sassetta, Boticelli, Mantegna, Piero della Francesca, und ein knappes halbes Jahrtausend später de Chirico, vor allen anderen aber Balthus. Der Balthus der jungen Dinger und der langsam wachsenden Farben, aber auch derjenige Balthus, dessen intensive Beschäftigung mit der frühen Renaissance für die Kunst von Victor Man zu einem transitorischen Nadelöhr wird. Wie andere seiner Generation auch operiert Man als eine Wiedergeburt der klassischen Moderne.
Victor Mans eindringliche Malerei und die Meditation ihrer Vorgänger bilden einen Schutzraum gegen die Überreizung der Gegenwart. Und als Bunker musealer Zeitlosigkeit wird auch der Innenraum der Kunsthalle mit seinem leinwanddrapierten Wänden und den verhängten Fensterdurchbrüchen inszeniert. Aber schon in in sich selbst reizt diese Malerei ein abgedunkeltes, schwellendes Farbklima aus, dessen düstere Grundierung nicht nur eine handwerkliche Sache der Leinwand bleibt, sondern auch das Dargestellte meint. In seinen Bildwelten nämlich begegnen uns die abgewiesenen Untergründe der Menschheit. Seelenlandschaften aus Tod, Gewalt und Erotik. Martyrien, Trans-Gender und Mischwesen-Fetische aus der Welt des S/M, Höllengestalten und Kreuzigungen, Fragmente von Körpern, die wie abgeschlagene Teile von Kolossal-Skulpturen wirken. All das tritt aus dem dunklen Grund an uns heran. Dabei reanimiert Victor Man die heroische und zugleich morbide Antikensehnsucht der späten 20er Jahre, die einer neusachlichen Betrachtung der Dinge Geheimnisvolles zu entlocken wusste und in den starren Zwängen einer architektonischen Komposition eine laszive Erotik positionierte, die jederzeit bereit ist, der kühlen Geometrie ihrer Posture zu entgleiten oder sich gegen und in ihr lustvoll aufzuwölben. Über seinen schwermütigen Körpern kreisen schwarze Sonnen. Bedrängt von unterschwelligen seelisch-körperlichen Prozessen der Versteinerungen, vom unmerklichen Übergang ins Unbelebte, Maskierte, Puppenhafte, zur Skulptur, zum Automaten, zum Fetisch, zur Einpanzerung.
Aus ihren mythischen und kunsthistorischen Speichern dünsten diese kleinen, dunklen, dichten Bildtafeln beklemmende Sinnlichkeit aus. Eine nachglühende Malerei.
Unter den Linden befindet sich derzeit – so sagt man – ein geheimer Abstieg in den Hades der Kunst.
KunstHalle
Deutsche Bank
Unter den Linden
10117 Berlin
Di – So 12.00 – 18.00 Uhr







Haus der Kunst München
24.10.14 bis 11.1.2015
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