Zweifelsohne ist er eine Größe seiner Zunft. In anderen Arbeitsbereichen würde man wohl von einem Könner seines Fachs sprechen, aber mit der Könnerschaft ist es so eine Sache in der Kunst. Gerade die Geschichte der modernen Malerei hat sich ja durch krude Kritzeleien, bunte Farbtupfer und verschrobene Perspektiven hervorgetan. Nicht zu allen Zeiten fand das bei allen Gefallen. Georg Baselitz hat seine zumeist eigenwillige Form der Malerei in mittlerweile Jahrzehnten erprobt und schon ein Faible für Bad Painting gepflegt, lange bevor dieser Begriff sich zum guten Stil erhob. Das Münchner Haus der Kunst zeigt nun eine Auswahl neuer großformatiger Gemälde, mit denen er – relaxed wie selten zuvor – die visuellen Spielräume schwarzer Bilder erkundet.
Baselitz hat sich immer bemüht, alles verkehrt zu machen, was man verkehrt machen kann. Damals und dazwischen eigentlich auch. Er zerstörte die Bildordnung durch Frakturen, klumpte und schmierte braunen Farbschlamm zu deformierten Körpern auf die Leinwand und stellte seine Bilder auf den Kopf. Mit diesen Provokationen an herrschendes Bildverständnis demonstrierte er immer auch das Eigenleben der Bilder und ihr Recht auf Autonomie. Das Bild selbst wurde zum Gegenstand gemacht.
Verblüffend, dass es Baselitz nun ausgerechnet mit tiefster Schwarzmalerei und der gezielten Eliminierung von Kontrasten gelingt, offener, klarer, ja heller und lichter daher zu kommen als vieles, was er in seinem langen Malerleben zuvor gemalt hatte. Seine Motive und Gegenstände versinken im räumlichen Dunkel der Leinwand. Zwanglos ist das Ganze malerisch gesetzt. Alles Pathos, welches in der Geschichte der modernen Malerei mit der Farbe Schwarz verbunden wurde und deswegen drohte, diese Werke mit in die Tiefe zu reißen, hebt sich stattdessen in der malerischen Freiheit eines gereiften Alterswerks auf.
Baselitz führt mit dieser Serie schwarzer Bilder das Projekt einer künstlerischen Auto-Supervision mit veränderter Palette fort. Schon in den letzten Jahren hatte er mit dem Remix der eigenen Bilderwelt begonnen, mit leichter Hand die Bestände der eigenen Werkgeschichte durchkämmt und selbstbewusst ihre Motive und Stile zu neuen Bildern geordnet. Wie er früher Philipp Guston oder Edvard Munch, italienische Manieristen und deutsche Expressionisten zitierte, so greift er heute auf den eigenen Bilderbestand zurück oder mischt die eigenen Bildideen mit denjenigen eines Mondrian oder der Kubisten.
Schon einmal Gemaltes malt Baselitz nun noch einmal. Die nuancierte Wiederholung des Alten aber hat System, sie produziert Abklatsch ohne zu kopieren. Baselitz vertraut seine Bilder der Zeit, der Geschichte, dem Wandel und der Erinnerung an. Und diese Wirkgrößen erschaffen wie von selbst neue Bilder. Baselitz holt zurück, ohne sich zu wiederholen, und er verändert, indem er wiederholt.
Dabei zeigt Baselitz sich von einer ungewohnten Seite: in heiterer Souveränität, die nicht mehr alles bierernst nehmen muss. Das Rebellische, Obszöne, Rigorose, was zu Zeiten nicht nur berechtigt sondern notwendig schien, hat sich in diesem neuen Klang in homöopathischen Dosen des Verschroben, Unangepassten und Hässlichen aufgelöst.
Baselitz hat aufgehört zu protestieren. Er muss nicht mehr kämpfen, um das Eigene zu erschaffen. Es fließt ihm ungezwungen aus den Praktiken des Sekundären zu. Und in gewissem Sinne haben er und seine Kunst sich damit heute in absichtsloser Heiligkeit aufgelöst.




Haus der Kunst
Prinzregentenstraße1
80538 München
Mo-So 10 Uhr – 20 Uhr