Kunst

Jackpotpotlatch!

Benedikt Braun.
Die Superman-Dialektik der Waren-Dinge.

Benedikt Braun: Super Arm, 2011 / © Benedikt Braun und Galerie Eigenheim, Weimar

Benedikt Braun ist ein fucking saint der Gegenkultur im Reich der Klassik. Er treibt sein Unwesen an einem Ort, der wie kaum ein anderer in zwei nationalen Großdichtern verkörpert ist. Auf einer formalästhetisch bescheidenen Fotoarbeit von 2007 posiert BB inmitten einer Schulmädchenklasse unter dem Goethe-Schiller Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater in Weimar: Drei große Deutsche! – einer davon barbäuchig grinsend, umfangen von bildungshungrigen, bildungsresistenten, bildungsgleichgültigen, bildungsunberührten, bildungskontaminierten – in jedem Fall aber zahlreichen und mädchenhaften Bildungsreisenden.

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Anish Kapoor
in Berlin.

Symphony for a Beloved Sun.

Anish Kapoor: Symphony for a Beloved Sun, 2013 / Mixed media / Dimensions variable / Installation view: Martin-Gropius-Bau, 2013 / Photo: Jens Ziehe. Courtesy the artist. © Anish Kapoor / VG Bildkunst, Bonn, 2013

Ein Essay über Anish Kapoor anläßlich der Ausstellung Kapoor in Berlin im Martin-Gropius-Bau | Berlin (18.05. – 24.11.2013)

Schon 2009 überwältigte Anish Kapoor sein Publikum mit dem Auftragswerk Memory für das Deutsche Guggenheim Berlin, in dem sich Skulptur, Industriekörper und architektonische Konstruktion in ein begehbares Ensemble von tonnenschwerer Leichtigkeit zusammengefügt fanden. Erinnerung, das wurde angesichts des eiförmig-rostigen Mahnmals körperlich und räumlich erfahrbar, bedeutet weitaus mehr als technokratische Datenspeicherung oder transparente Sichtbarkeit institutionalisierter Gedächtnisleistungen. Kapoor gewährte dem Besucher Einblick in die verborgene Seite der Erinnerung und in die unendliche, dunkle Tiefe inwendiger Erfahrung. Nun ist Kapoor zurück in Berlin und beschert dem Martin-Gropius-Bau eine aufwendige skulpturale Inszenierung mit rund 70 Arbeiten.

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Bad News aus der Potsdamer!

Kristof Kintera bei Jiri Svestka Berlin.

Kristof Kintera: Bad News. Installation View © Balint-Maggyesi und Courtesy Jiri Svestka | Berlin

Ein Essay zum Berliner Kunsthotspot Potsdamer Strasse und zur sarkastisch-subversiven Kunst des Tschechen Kristof Kintera.

Als vor drei Wochen das Premierenpublikum des Gallery Weekends durch den vielleicht aufregendsten Berliner Kunsthotspot mit seinen zahllosen galeristischen Neuansiedlungen rund um die Potsdamer Straße schob, konnte man wieder einmal die abstrusen Seiten der Kunstwirtschaft inmitten eines ungehemmt exhibitionistisch provozierten Clash of Civilisation bestaunen. Was, um der Götter willen, mögen sich Ansässige im Stillen gefragt haben, zog all diese sozio-urbanen Sonderformen symbolaffiner Kosmo- und Metropoliten; all die Bobos, Kunstyuppies und Kulturhipster magnetisch an diesen unwirtlichen Ort zwischen Varieté Wintergarten, Woolworth und LSD (Love, Sex and Dreams)?

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Entweder / Oder

Kierkegaard
im Spiegel zeitgenössischer Kunst.

Tal R: Clowns, 2008, Courtesy: Paradis, Foto: Léa Nielsen

Zur Ausstellung “Entweder/Oder” im Haus am Waldsee / Berlin (22. 06. bis 22. 09. 2013)

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Über Jahre schon behauptet das klangvolle Haus am Waldsee seine abgelegene Position als Angelpunkt und Anlegesteg für ausgewählte Präsentationen zeitgenössischer Kunst. Nun verbindet sich diese eremitäre Waldständigkeit des Hauses, das mit seiner peripheren und halbidyllischen Lage Weltabgewandtheit – sagen wir einmal – zumindestens andeutet, thematisch mit einem philosophierenden Zivilisationsasketen und menschlichen Randlagenbeobachter erster Ordnung, mit dem Vater aller theoriebasierten Existenzgründungen: Sören Kierkegaard. Zu dessen 200. Geburtstag nämlich sucht die dänische Kuratorin Solvey Helweg Olsen im Zehlendorfer Ausstellungshaus nach Spiegelungen seines Schreibens in der Gegenwartskunst. Ausschweifend, weltgetränkt und fremdbestimmt. Genusssüchtig und so den zufälligen Tänzen des Unmittelbaren ausgeliefert, treibt er rückhaltlos im Strom des Sinnlichen.

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Stimmritze und Schreibmaschine

Henri Chopin bei Supportico Lopez.

Henri Chopin: La Crevette Amoureuse. Ausstellungsansicht © Supportico Lopez, Berlin.

2008 verstarb der französische Pionier der Lautpoesie Henri Chopin. Im gleichen Jahr zog es das von zwei Künstlern und einem Kurator initiierte Galerieprojekt Supportico Lopez von Neapel nach Berlin Kreuzberg. Seit nicht einmal einem Jahr bespielen diese ihre neuen Räumlichkeiten in Schöneberg, wo sie nun den kaum bekannten Körperstimmenforscher in einer großartige Ausstellung präsentieren: als […]

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Die Plastizität
des eingefrorenen
Augenblicks.

Martin Honert im Hamburger Bahnhof.

„Martin Honert. Kinderkreuzzug“, Installationsansicht Hamburger Bahnhof, 2012 mit den Werken Star, 1992, und Feuer, 1992 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012 Foto: David von Becker Courtesy Johnen Galerie, Berlin und Matthew Marks Gallery, New York

Ein Essay zu Martin Honert anläßlich der Ausstellung “Martin Honert. Kinderkreuzzug” im Hamburger Bahnhof | Berlin (7. Oktober 2012 bis 7. April 2013).

Das Kind begeistert die Welt. Mal verzaubert, ein anderes Mal verängstigt ist es ganz und gar in sie eingetaucht, unauflöslich mit ihr verbunden. Es steht in einem Zauberkreis, in dem die Trennschärfen der Rationalität ihr Werk noch nicht begonnen haben. Seine Welt ist voller Offenheit gegenüber dem unhinterfragt Tatsächlichen, prall an alltäglicher Absurdität und magischen Gewohnheiten. Eine unfertige Welt voller Sensationen des Augenblicks, voller Rätselhaftigkeit und Staunen, voller nomadischer Einbildungskraft. Selbst noch das Paradoxeste ist die kindliche Imagination stets bereit als das Gegebene anzunehmen, um daraus im nächsten Moment eine neue Welt zu formen.Doch was bleibt von diesen imaginativen Fähigkeiten des Kindes, wenn es nicht mehr Kind ist?

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Der Blick
der Anderen.

5. Europäischer Monat der
Photographie Berlin 2012

CAMERA WORK © Bettina Rheims: Simon K., 2011

Man weiß nicht so recht, was davon zu halten ist. Der europäische Monat der Fotografie bietet eine erschöpfende Fülle an Orten, Fotografen und Bildern, die – soviel soll einfachheitshalber behauptet sein – auch die hochmotiviertesten unter den Fotoliebhabern schon bei den Planungen verzweifeln lassen, alles zu sehen. Umgekehrt ist aber trotz der scheinbar übermächtigen Wucht der Masse sofort klar, dass hier nur mit einem verschwindenden Anteil der fotografischen Bildproduktion zu rechnen ist. Vermutlich kann schon die durchschnittliche bundesrepublikanische Familienfestplatte ein ähnlich beeindruckendes Bildquantum vorweisen, wie das sehr wohl auf Breite setzende Spektrum des diesjährigen Berliner Fotofestivals.

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Im Fluss
der Dinge.

Zur Kunst von Thorsten Dittrich.

Thorsten Dittrich: Freigabe. Ölmalerei/ Zeichnung auf Papier und Leinwand.42x50cm, 2012

Wirft man einen chronologischen Blick auf die Werke von Thorsten Dittrich und betrachtet man sie in der Reihenfolge ihrer Entstehung, staunt man über ihre stetigen Wandlungen und Erneuerungen. Auch wenn Dittrich den Gattungen der Malerei und der Grafik treu geblieben ist (abgesehen von manchen seltenen Ausflügen zur Objektkunst) und zudem seriell arbeitet, auch wenn er bisher keinen abrupten, völlig unvorhersehbaren Wechsel in Themen oder Stil vorgenommen hat und auch wenn eine gleichbleibende Grundstimmung – analog zu einem bestimmenden Rhythmus – das junge Oeuvre durchzieht, hat sich das abgedeckte Spektrum seiner Kunst gerade in den letzten Jahren stark geöffnet und dehnt sich weiter proteisch aus.

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Panorama
des Indifferenten.

Gerhard Richter in Berlin.
12.02. - 13.05.2012.

Gerhard Richter: 4096 Farben, 1974, 254 x 254 cm, Lackfarbe auf Leinwand | Privatsammlung © Gerhard Richter, 2012

Anlässlich seines achtzigsten Geburtstages ehrt gleich eine ganze Phalanx europäischer Kunstinstitutionen den deutschen Maler Gerhard Richter. In Zusammenarbeit mit der Tate Modern und dem Centre Pompidou präsentiert die Neue Nationalgalerie die Retrospektive Gerhard Richter | Panorama (12. Februar bis 13. Mai 2012). Ergänzend zeigt die Alte Nationalgalerie den RAF-Zyklus, während der Me Collectors Room seine umfassende Sammlung an Richter-Editionen zugänglich macht.

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Fenster
zum Dunklen

Steven Black
in der Galerie Alexandra Saheb.

Steven Black: SB 2012.02, Öl auf Leinwand, 110 x 170 cm / Galerie Alexandra Saheb, Berlin

Dicht an dicht hängen die Bilder. Draussen der späte, erste Schnee des Winters. Es ist kalt geworden. Und der Blick aus den großen Scheiben hinaus in den Innenhof verliert sich in der Nacht. Noch wandern nicht allzu viele Besucher durch die hellen Räume. Sie stehen allein, zu zweit, zu dritt. Unterhalten sich, stehen beisammen, schweigen vielleicht. Suchen nach einer Ordnung, nach einem Halt, nach ihrem Platz im Raum. Einige Besucher führen ein zweites Leben auf der Leinwand. Manche vervielfältigen sich sogar in den an den Wänden hängenden Bildinnenräumen. Die Szenen und Sphären durchdringen sich. Messen wir die Welt längst an den Ähnlichkeiten, die sie mit den Bildern hat, wie ein Großmeister der Kunstgeschichte behauptet?

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